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Fidschi: Abgetrieben vom Paradies

Blumenkette um den Hals, ab in den Shuttlebus und rein ins Sterne-Resort? Pures Klischee für Hochzeitreisende und andere Pauschalurlauber. Dabei verbirgt sich hinter der Glitzerfassade weit mehr: Nämlich Kultur, Armut und Betäubungsmittel.

Fidschi-Inseln

Es riecht nach Samosas, gefüllten Teigtaschen und Curry. Der Duft drückt sich langsam durch einen kleinen Spalt, die einzige Verbindung zwischen der heißen Luft draußen und der Klimaanlage im Inneren des Busses. Die Straßen sind bunt: voller Saris, traditionelle indische Kleidungsstücke, die die Frauen locker und leicht um ihren Körper geschwungen haben. Leuchtendes Türkis, Gelb und Orange. Sie passen gut zu den bunten Schildern der kleinen Shops, die sich hier dicht aneinanderreihen. Ein Besuch im Paradies Fidschi.

Bollywood-Musik dröhnt aus den riesigen Boxen, die vor den Musikläden aufgestellt sind und perfekt zum Rattern der alten Yamaha-Roller passen, die sich die Straße entlang schleppen. Die Kulisse scheint perfekt. Perfekt indisch. Bis ein freudiges „Bula!“ ertönt und eine Blumenkette als neues Accessoire beim Aussteigen aus dem Bus um den Hals landet. Indien ist das hier nicht, sondern die kleine Inselgruppe Fidschi, die sich fest verankert im Pazifik befindet. Im Hintergrund ertönt das traditionelle Willkommenslied auf Fidschi.

Nadi auf Fidschi: Der Startpunkt ins Paradies

„Bula“ heißt Willkommen, Hallo und Prost auf Fidschi und passt damit zu den wichtigsten Lebensbereichen des Menschen.  Die Inselgruppe, die vielen aus den gängigen Hochglanzmagazinen bekannt ist und die doch so multikulturell ist, dass man die Kontraste und Unterschiede kaum übersehen kann – man muss nur einmal genauer hinschauen.

Fidschi-Inseln-Frau-Wassermelonen
Typische Marktzszene auf Fidschi

Die meisten Touristen zieht es von der großen Insel Viti Levu, auf der sich auch der Flughafen befindet, direkt weiter in die kleinen Paradise, die verstreut um die Insel herum liegen. Dort sieht es aus wie in den Werbeprospekten und Flitterwochen-Videos. Dort wird getaucht, geschnorchelt und geheiratet. Hier allerdings, auf Viti Levu, geht es anders zu. Das Tor zu Fidschi ist die Stadt Nadi. Hier landen auch die Flitterwochen-Gäste, die mit Blumenketten um den Hals in ihre Sterne-Resorts auf den Fidschi Inseln gebracht werden. Wer nicht auf eine der kleineren Fidschi Inseln fährt, der bleibt erst einmal hier in Nadi und wartet auf sein eigenes Paradies-Abenteuer. Die Blumenkette ist ja schon mal kein schlechter Anfang.

Nadi ist eine der größeren Städte auf Fidschi, allerdings nicht die Hauptstadt. Hier wohnen knapp 12.000 Menschen. Dank der britischen Kolonisierung von 1871 bis 1970 stammen heute 40 Prozent der Bevölkerung Fidschis aus Indien – und die meisten von ihnen leben in Nadi.

So erklärt sich auch der anfängliche indische Eindruck. Sie alle gehören zu der Nachfolge-Generation der früheren Gastarbeiter, die vom Vereinigten Königreich zum Anbau von Zuckerrohr nach Fidschi gebracht wurden und dort geblieben sind.

Im Gegensatz zu den Touristen, die nur ein bis zwei Wochen auf einer der kleineren Inseln verweilen und braungebrannt wieder nach Hause fliegen. Viti Levu hingegen lebt nicht vom Tourismus. Die Einwohner der kleinen Insel leben vor allen Dingen von den Curries, die am Straßenrand verkauft werden und von kleinen Attraktionen für die wenigen Touristen, die es hierher verschlägt, geschaffen wurden. Von Nadi aus geht es für die hiergebliebenen Touristen in den Dschungel, auf den Biausevu Trek, eine Wanderung durch ein vergessenes Stückchen Land der Fidschi Inseln, das für die Besucher wenig herausgeputzt wurde. Im Gegenteil: Wege gibt es hier nicht, auch keine Schilder. Dafür eine Menge Fidschianer, die auf kleinen Nussschalen den Fluss entlang schippern und Touristen über die Schlammpisten und durch den feuchten Dschungel führen.

In Millie’s knallblauem Bus um die Insel Viti Levu

Millie ist eine von ihnen. Seit Jahren schon führt sie Touristengruppen, meist junge Backpacker, durch die Teile der Fidschi Inseln, die abseits der All-Inklusive-Paketurlauber und Flitterwöchler liegt. Viele wollen zum Abschluss ihres Work-And-Travel-Jahres in Australien noch ein bisschen Inselluft schnuppern.

Busfahren in Viti Levu
Eine Busfahrt im Paradies Fidschi

Mit ihnen bereist Millie ihre Heimatinsel immer wieder von Neuem mit einem knallblauen Bus. Dabei ruft sie nahezu stündlich „Bula!“ und erklärt jedes einzelne Detail ihres kleinen Paradieses, das so selten als das eigentliche Fidschi wahrgenommen wird.
Millies Bus startet. Und zwar in die in Richtung eines Resorts, das weder besonders glamourös ist, noch die typische 5-Sterne-High-Society beherbergt. Stattdessen ist es eines, das vor allem von der Natur, vom unberührten Drumherum zehrt und so einen ganz eigenen Charme besitzt. Viti Levu strotzt schon am ersten Abend für die Neuankömmlinge mit einem Bilderbuch-Sonnenuntergang, den sicher auch die anderen bei Mojito und Caipirinha auf den kleineren Inseln sehen. Mit einer Blumenkette um den Hals vielleicht.

Paradies Fidschi: Hinter der Fassade des Paradieses

Wer die Inseln voll und ganz erkunden will, der muss früh aufstehen. Es geht im Uhrzeigersinn um Viti Levu mit Stopp in Suva – die Hauptstadt der Fidschi Inseln. Wer einmal ein Resort auf einer der 332 Fidschi Inseln verlässt, der sieht das, was den Alltag von Fidschi ausmacht. Die Hauptstadt Suva ist voller kleiner Läden, die alles, ja wirklich alles, anbieten: BHs liegen neben CDs, Haarshampoo neben einem Curry zum Mitnehmen.

Es ist interessant, was sich hinter den Kulissen des Paradieses abspielt. Dort, wo die Menschen von dem leben, was sie täglich in ihren kleinen Läden einnehmen. Und das ist wenig, denn knapp 30 Prozent der eine Million Menschen, die auf Fidschi leben, befinden sich unterhalb der Armutsgrenze. Millie gehört nicht dazu. Die Mittdreißigerin mit Afro-Haar und Dauergrinsen arbeitet schon seit Jahren im Tourismus – eine gute Einnahmequelle. Und eine sichere. So langsam kommen sie, die Touristen.

Fidschi-Inseln-Schotterweg
Im Landesinneren sehen die Straßen eher so aus
Gassi gehen im Sonnenuntergang
Die Sonnenuntergänge auf Fidschi sind einmalig

Kannibalen auf den Fidschi Inseln? Das ist längst Geschichte. Und dank der vielen Angebote, die es für Individualreisende aus Neuseeland und Australien gibt, finden heute auch ab und zu Reisende hierher, die sich für mehr als nur die Anzahl der Sterne ihres Hotels interessieren. Eines jedoch fällt trotz des aufkommenden Tourismus auf: In Fidschi wird die Armut vor den Touristen nicht versteckt. Im Gegenteil, sie wird sogar zu einem Bestandteil der Reise. Denn genau dort, wo viele Regierungen und Tourismusämter den Vorhang vorziehen würden, spielt sich für Fidschi eine wichtige Einnahmequelle ab.

Das Paradies Fidschi: Bei Millie und Zayn

Millies Bus hält am Straßenrand von Suva vor einem kleinen Schreibwarenladen. Kein Zufall. Millie und Zayn kennen sich. Sie treffen sich fast wöchentlich, immer dann, wenn Millie wieder Touristen für einen kurzen Einkaufsbummel vorbeibringt. Das machen sie immer so, bevor sie in die einheimische Schule fahren, um Kinder zu treffen. Zayn hat schon alles in kleinen Paketen vorbereitet. Darin: zwei Schreibblöcke, ein paar Stifte, ein Radiergummi und ein Englisch-Wörterbuch. „Das ist das, was die Kinder hier bei uns in der Schule benötigen“, erklärt Zayn stolz.

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Die Ladies auf dem Markt freuen sich immer über ein kurzes Gespräch

Ob sie das wirklich einmal die Woche und von zehn Reisenden gleichzeitig brauchen, darauf hat auch er keine Antwort. Zayn hat ein freundliches Lachen, eines, das einem ein schlechtes Gewissen macht, wenn man nichts kauft. Und eines, das den Gedanken daran vergessen lässt, dass das, was hier gerade passiert, fast schon aufgezwungene soziale Arbeit ist. Millies Bus fährt weiter, vollgepackt mit Schreib-Utensilien. Noch einige hundert Meter von der Schule entfernt, hört man schon Kinderstimmen, die rhythmisch ein Lied anstimmen. Natürlich haben sie den röhrenden Motor von Millies Bus von Weitem erkannt.

Eine halbe Stunde singen, eine kurze Führung durch die Schulräume und stets ein freundliches „Hello, how are you?“ auf den Lippen. Dann sind sie auch schon wieder weg, die Touristen, und alles, was bleibt, sind die vielen fertig gepackten Pakete aus Zayns Shop in Suva. Die wandern in den Lagerraum, der jetzt schon aus allen Nähten platzt.

Und am Ende: Betäubung und „Bula!“

Rappelvoll ist auch die kleine Bambushütte, in die sich Millie ihre Freunde und ihre Reisegruppe als Nächstes quetschen. Improvisiert ist sie, die Hütte, aber das mit Charme. Ob die Insel aus dem Hochglanzmagazin oder das Fidschi, wie es leibt und lebt auf Viti Levu, es gibt eine Sache, die jeder Fidschianer für sein Leben gerne und immer wieder tut: Kava trinken.

Das Pulver wird auf ein Baumwolltuch gegeben, das über eine hölzerne Kava-Schale namens Tanoa gespannt wird. Die Tanoa ist mit Wasser gefüllt und so wird das Pulver im Tuch ausgewrungen. Was bleibt, ist eine braune Brühe, die mit aller Sorgfalt in kleine Kokosnuss-Schalen gefüllt wird. Sind alle versorgt, dann wird lauthals „Bula!“ gerufen – und die Kokosnuss mit einem Mal ausgetrunken. Eines ist Kava sicher nicht: lecker. Ganz im Gegenteil, es hat keinen Geschmack, aber darum geht es auch nicht. Es geht vielmehr um die Wirkung, die dahintersteckt. Denn Kava betäubt die Zunge. Es macht sie, je nach Stärke, teilweise so taub, dass man nicht in der Lage ist zu reden. Kein Wunder also, dass eine Kava-Zeremonie traditionell dann organisiert wird, wenn es wichtige Nachrichten zu verkünden gibt.

Heute Abend gibt es die nicht mehr. Dafür eine betäubte Reisegruppe und Millie, die mit ihrem nie verblassenden Strahlen daneben sitzt. Es ist genau der richtige Moment, um einfach nur in Stille zu genießen. All die Eindrücke vom echten Fidschi, die emsigen Einheimischen, die liebevollen Pakete von Zayn und das ehrliche Lachen der Kinder. Eindrücke, die wohl nur hier entstehen. Fern von den Sterneresorts, wo vermutlich gerade der nächste Mojito bestellt wird, gibt es auf Viti Levu die nächste Runde Kava. Bulaaa!

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