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The Archive Talks: Surffotograf Chris Burkard im Interview

Der US-amerikanische Fotograf Chris Burkard genießt unter Kennern Kultstatus. Seine Bücher verkaufen sich wie geschnitten Brot. Wir haben ihn zum Interview getroffen und erfahren, warum er für das perfekte Foto im russischen Gefängnis saß.

Chris-Burkard-Interview-Nordlichter

Er ist Surfer, Fotograf, Outdoorenthusiast. Er dreht Videos und hält Vorträge. Aber vor allem tut er eins: Er reist an die ungewöhnlichsten Orte, auf der Suche nach Kälte, Abgeschiedenheit und dem ganz besonderen Foto. Travellers Archive hat Chris Burkard getroffen.

Isafjördur im wilden Nordwesten Islands. Die Luft ist klar, der Himmel dämmrig, die Temperaturen weit in den Minusgraden. Eisschollen treiben über das Wasser. Schneebedeckte Berge flankieren die Westfjorde und strahlen dabei, stolz wie Riesen, am Horizont. Plötzlich sieht man einen Surfer auf seinem Surfbrett liegen, eingepackt in einem dicken Ganzkörper-Neoprenanzug. Er beginnt zu paddeln. Erst langsam, dann immer hektischer. Mit einem Mal steht er auf dem Brett und reitet eine Welle in Richtung Ufer. Als sei dieser Anblick nicht schon bilderbuchhaft genug, fangen just in diesem Moment die Nordlichter an, in den schönsten grünlich-blauen Farbnuancen zu funkeln. Der perfekte Moment. Die perfekte Einstellung. Das perfekte Foto.

Aus dem Off hört man Jubelschreie, so losgelöst, als hätte gerade jemand einen Weltrekord geknackt. Viel besser noch, sie klingen so ehrlich, so tiefgründig, wie es eigentlich nur Kinder können. Doch damit weit gefehlt. Die Freudenschreie kommen von Chris Burkard, jenem Fotografen, der sich diese Szenerie ausgedacht hat – eigentlich eine Wunschvorstellung, die es nur in seinem Kopf gab. Bisher zumindest. Jetzt kennt die Euphorie keine Grenzen.

Der US-Amerikaner Chris Burkard ist kein gewöhnlicher Fotograf. Nicht umsonst folgen ihm mittlerweile fast drei Millionen Menschen auf Instagram. Der Outdoor- und Surffotograf würzt seine Fotos gerne mit einer gewissen Portion Abenteuer. In jedem Foto, das er schießt, scheint eine spannende Geschichte verborgen. Chris Burkard lebt für das Unbekannte, für die Orte abseits des Mainstreams, wie er selbst sagt. Mal findet er die unberechenbare Natur in den Lofoten, mal in den abgeschiedensten Ecken Russlands. Immer ist er auf der Suche nach dem perfekten Schnappschuss, dem bis zur Vollkommenheit komponierten Fotogemälde.

In einen dieser Schnappschüsse kann man nun eintauchen und der Geschichte hinter dem Werk lauschen. In dieser ist der gebürtige Kalifornier zusammen mit fünf Profi-Surfern nach Island gereist, auf der Suche nach den besten Wellen. Der abgelegene Nordwesten der Insel ist so dünn besiedelt, dass man eigentlich kaum mit der Hilfe der Einheimischen rechnen kann, ausgenommen die eines gleichgesinnten isländischen Surfers, der verrückt genug ist für das Vorhaben.

Den abenteuerlichen Trip hat Burkard in seinem Film „Under the Arctic Sky“ (Amazon Prime Video) dokumentarisch festgehalten. Herausgekommen ist die Aufzeichnung einer Reise, die so wahnwitzig ist, dass es für den Zuschauer in den rund 40 Minuten nicht langweilig wird. Deshalb, weil man die Leidenschaft für das Surfen und die Lust auf echtes Abenteuer in jeder Einstellung und jeder Sekunde spüren kann. Bis zu jenem Moment, wo alles zueinander kommt, einem Moment für die Ewigkeit.

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Chris Burkard an seinem Happy Place: am vereisten Meer von Island

Travellers Archive hatte die Möglichkeit, den Geschichten von Chris Burkard persönlich zu lauschen und die ein oder andere Frage zu stellen: über seinen Surffilm „Under the Arctic Sky“, darüber, wieso er sich an manchen Orten nicht lebendig fühlt und darüber, welche Welle auf der Welt er unbedingt noch surfen will.

TRAVELLERS ARCHIVE: Du hast deinen Film „Under the Arctic Sky“ in Island gedreht, wo es nicht nur super kalt ist, viele Orte sind auch sehr abgeschieden. Wieso wählst du meist eher unverfälschte Orte statt Mainstream?

CHRIS BURKARD: Es ist recht einfach. An Orten, die man als Mainstream bezeichnen würde, habe ich schon viel Zeit verbracht: in Thailand, Bali, Australien und vielen mehr. Dann hab ich irgendwann festgestellt, dass mich diese Orte absolut nicht zufriedenstellen. Ich habe mich dort einfach nicht lebendig gefühlt. Dann hab ich angefangen, Gegenden für mich zu entdecken, wo es eher kalt ist, einfach, weil mich die Frage quälte, was es da draußen noch so gibt. Genauso wollte ich auch irgendwie weg von den Orten, die andere Fotografen schon vor mir in Bildern festgehalten haben. Die Kälte ist gewissermaßen auch nur eine Emotion und die kann man sehr gut kontrollieren.

Chris-Burkard-Interview
Surfen in Island läuft anders: in dicken Neoprenanzügen und stets mit dem Schiff

TRAVELLERS ARCHIVE: Gab es auf deinen Reisen mal eine Situation, in der dich so richtig die Angst gepackt hat oder die vielleicht sogar richtig gefährlich war?

CHRIS BURKARD:  Die größte Angst hatte ich, als ich in einer Gefängniszelle in Russland saß, nachdem ich zuvor sechs Stunden vom Zoll vernommen wurde. Ich wurde später nach Korea abgeschoben, bevor ich zurück ins Land durfte.

TRAVELLERS ARCHIVE: Du arbeitest als Fotograf, bist erfolgreich auf Instagram, deine Werke wurde in zahlreichen Medien veröffentlicht und du wirst von Sony gesponsert. Worauf bist du dabei besonders stolz?

CHRIS BURKARD:  Auf meinen Vortrag bei der TED Konferenz bin ich am allermeisten stolz. Die Möglichkeit gehabt zu haben, auf dieser Bühne zu stehen und eine Botschaft zu verbreiten, von der ich sicher war, dass die Leute sie hören wollen und sollten, war unschlagbar. Schon in der Vorbereitung habe ich mich echt reingehängt und war am Ende auch richtig zufrieden mit allem. So ängstlich und so lebendig zugleich habe ich mich nie gefühlt.

TRAVELLERS ARCHIVE: Das Online-Reisemagazin Travellers Archive steht für „Notes from within“: also für authentische Reisegeschichten und echte Reportagen über echte Reisen. In Wort und Bild erzählen wir Menschen die Wahrheit über Reiseziele, die sie vielleicht bisher gar nicht als Reiseziel in Betracht gezogen haben. Was ist deine Mission und wie willst du sie erfüllen?

CHRIS BURKARD:  Ich war schon immer der Meinung, dass Fotografen und Kreative ein Leitbild haben sollten und dazu auch stehen sollten. Für mich geht es darum, Menschen dazu zu inspirieren, sich für das Unbekannte zu öffnen und nach Möglichkeiten zu suchen, jenseits von Sicherheit und Routine zu reisen. In der Hoffnung, dass sie zurückkehren und die Welt besser wertschätzen.

TRAVELLERS ARCHIVE: Du hast als Fotograf für das „Surfer Magazine“ gearbeitet, bist aber auch selbst Surfer. An welchem Ort auf der Welt würdest du denn am allerliebsten mal surfen?

CHRIS BURKARD:  Ich war mal auf den Färöer Inseln. Es gibt da diese kleine Bucht mit einer rechtsbrechenden Welle. Ich habe schon immer davon geträumt, sie einmal im Leben zu surfen. Hoffentlich schaffe ich es mal wieder dorthin.

TRAVELLERS ARCHIVE: Das Reisen ist ein großer, wenn nicht der größte Teil deines Berufs. Klappt es denn für dich beides zu kombinieren: Geld zu verdienen, zu reisen und doch noch offen zu sein für die Schönheit, die dich dabei in fremden Ländern und abgelegenen Orten auf aller Welt umgibt?

CHRIS BURKARD:  Ich reise niemals irgendwohin, ohne dafür einen Auftrag zu haben. Wirklich, ich tue mein Bestes, diese CO₂-Emissionen nicht einfach durch sinnloses Rumtreiben zu verschwenden. Ich liebe es, mit einem Ziel zu reisen, eine Geschichte zu erzählen und ein Projekt zum Leben zu erwecken. Ich lebe für genau diese Erfahrungen auf der ganzen Welt. Aber ich denke schon, dass man beides unter einen Hut bringen kann. Es geht viel mehr um die Erfahrung und nicht um dieses eine Foto.

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