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Helmond: Eine Perle abseits der Touristenmassen der Niederlande

Dass Helmond verschlafen ist, weiß Stadthistoriker und Einheimischer Giel schon lange. Seine Heimat ist nur 1,5 Stunden vom holländischen Touristenzentrum Amsterdam entfernt und lockt mit kleinen Gassen, idyllischen Kanälen und holländischem Charme.

Die kleine Stadt Helmond in den Niederlanden gehört zur Region Brabant.

Dass es ein Leben außerhalb der Grachten von Amsterdam gibt, können sich die meisten Touristen bei Reisen in die Niederlande kaum vorstellen. Zu schön sind die vielen Brücken, die kopfsteingepflasterten Gassen und die gefüllten Radwege in der holländischen Traumstadt. Doch das gibt es. Abseits der Touristenpfade, entlang der flachen Landschaft und mitten in den kleinen Ortschaften, die es selten auf die Radare von Reisenden schaffen. Helmond (Niederlande) ist eine solche Ortschaft. Die kleine Gemeinde liegt im Osten der Provinz Brabant, irgendwo zwischen Eindhoven und Venlo. Wo genau, das ist eigentlich egal.

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Versteckt zwischen knallgrünen Wiesen und hellgelben Rapsfeldern hat Helmond all das, was Amsterdam auch hat, nur eben keine Touristen. Ein kleiner Kanal schlängelt sich durch die Kleinstadt, rechts und links davon sind die Terrassen der Restaurants und Bars gut gefüllt. Brücken verbinden die beiden Seiten der Stadt, die von den Einheimischen, wie soll es anders sein, auf dem Fahrrad befahren werden, tagein, tagaus. Die Idylle ist perfekt. Perfekt holländisch. Gesellig, wie unsere Nachbarn sagen würden.

Das Stadtschloss von Helmond ist nicht nur von außen schön.
Das Stadtschloss von Helmond ist nicht nur von außen schön

Den Geschichten von Stadthistoriker Giel hinterher

„Eigentlich ist es heute viel zu schön, um euch das Schloss zu zeigen“, sagt Giel, tauscht die Sonnenbrille gegen eine Lesebrille aus und verstaut seinen Hut im Gepäcksack seines Fahrrads. Mit forschem Schritt läuft er uns davon. Wir rennen hinterher. Das Schloss Helmond (Website) ist eine der größten Sehenswürdigkeiten in Helmond in der kleinen niederländischen Stadt und die größte Wasserburg der Niederlande. Was von außen wie ein altes Gemäuer wirkt und vom Türmchen über eine Hängebrücke bis hin zu einem großen, hölzernen Tor alles hat, was ein Schloss eben braucht, ist von innen ein echtes Mitmachmuseum. Wer will, der kann sich in eine Ritterrüstung werfen und samt Schild und Schwert durch die kalten Gänge des Backsteingebäudes spazieren. Einmal Schlossherr sein, das geht hier im interaktiven Schloss Helmond ganz hervorragend. Von Zimmer zu Zimmer werden die einzelnen Epochen der Stadt und des Schlosses dem Besucher vorgestellt. Mal richtig pompös, mal multimedial und mal in Form von simplen Erklärungstafeln.

Giel hat heute noch viel vor, klopft bedeutungsschwanger auf seine Uhr und schwingt sich wieder auf sein Rad. Der rüstige 70-Jährige und sein Drahtesel scheinen unzertrennlich. Die Sonne scheint, das Grün im Schlosspark leuchtet und die Luft riecht nach Sommer. Wir folgen Giel weiter durch seine Heimat Helmond. Er selbst ist hier geboren, erzählt er und ist in der Region Brabant groß geworden. Heute trägt er den ehrwürdigen Titel des Stadthistorikers. Kein Wunder, dass er die Stadt kennt, wie kein anderer: jede Ecke, jede Straße. Selbst über die Ampelschaltung scheint er auf die Sekunde genau Bescheid zu wissen. Gespannt lauschen wir seinen Geschichten auf unserer Radtour durch Helmond und versuchen dabei, mit seinem Tempo mitzuhalten. Das wiederum ist gar nicht so einfach.

An uns vorbei ziehen der Kanal, die belebten Terrassen der kleinen Häuser – und damit auch die Geschichte einer Stadt, die heute fast ein wenig vergessen scheint. Tatsächlich galt Helmond, Niederlande, einmal als eine am meisten florierenden Industriestädte Hollands. Hier siedelten sich zahlreiche Textil- und Metallhersteller an. Doch das war einmal. Heute ist davon nicht mehr viel geblieben, außer einer Reihe schicker Fabrikgebäude, die zum Teil restauriert wurden und zum Teil leer stehen.

Mit dem Fahrrad am Kanal entlang radeln.
Was man in Helmond in den Niederlanden machen kann? Mit dem Fahrrad am Kanal entlangradeln

Helmond: Beschaulich, idyllisch, verwunschen

Eine davon ist die Fabrik des westafrikanischen Stoffherstellers „Vlisco“. Seit Jahren werden hier, in der holländischen Einöde, knallbunte Stoffe gedruckt, die in Ländern Westafrikas, wie der Elfenbeinküste oder in Ghana, zu typischen Kleidern und Röcken oder auch zu Kopfbedeckungen und Jacken geschneidert wurden. Der alte Wasserturm von Vlisco thront bis heute über Helmond, das Gesicht einer afrikanischen Dame im Firmen-Look peppt das sonst recht fade Fabrikgelände auf. Gedruckt wird hier immer noch.

Giel führt uns durch die verwinkelten Straßen von Helmond, zeigt uns, wo er als kleiner Junge einst als Milchjunge arbeitete, er verrät uns, in welcher Kirche seine Schwester geheiratet hat und er bringt uns zu einer kleinen Farm, auf der er seine Dahlien pflanzt. Es wirkt gemütlich hier. Irgendwie ein wenig verwunschen. Gleichzeitig reihen sich die einzelnen Eindrücke auf der Radtour aneinander, wie die Szenen aus dem Hollywoodfilm „Die Truman Show“ mit Jim Carrey. Es entsteht schnell das Bild einer heilen Welt, in der alles funktioniert, in der die Menschen glücklich sind, in der jeder jeden kennt und in der alles irgendwie vorprogrammiert ist. Ein Gedanke, der etwas sehr Schönes in sich trägt, in Zeiten von Kommerz und Großstädtertum.

Wir lassen die Stadt hinter uns und radeln über Stock und Stein durch den Stadtwald. Hier jagten einst die großen Fabrikherren das Wild durch den Mischwald, natürlich standesgemäß in feinem Zwirn, Seite an Seite mit dem Pudel und mit einer Pistole im Anschlag.

Durch einen kleinen Tunnel hindurch landen wir in Brandevoort. Was ein wenig wie Brandenburg klingt, wirkt auch genauso leer, verlassen und dennoch idyllisch. Der Stadtteil Brandevoort ist das Meisterwerk von einem bunt gemischten Team an Architekten und wurde sogar mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Wir stehen mitten auf dem zentralen Platz. Das Wasser des Kanals glitzert. Die Backsteinfassaden der Gebäude bilden die perfekten farblichen Kontraste zu den Bäumen, die hier in akribisch vermessenem Abstand gepflanzt wurden. Das Metalldach eines angedeuteten Marktes schmiegt sich in die sonst recht eintönige Architektur der Stadt. Alles wirkt fertig, alles scheint schön, alles ist bereit für neue Einwohner.

Die Kubushäuser in Helmond in den Niederlanden
Die Kubushäuser in Helmond sind in den Niederlanden bekannt
Brandevoort in den Niederlanden gehört zur Region Brabant
Die kleine Stadt Helmond in den Niederlanden gehört zur Region Brabant

Das Gefühl von Behaglichkeit

Doch gerade die bleiben bisher aus. Hier wurde eine idyllische Kleinstadt im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden gestampft und diese wirkt so verlassen und ruhig, dass es auch eine Geisterstadt sein könnte. Ein wenig ist Brandevoort das auch. Giel lächelt und winkt ab. „Das wird sich nie ändern“, meint er, schüttelt mit dem Kopf und steigt wieder auf sein Fiets, wie die Holländer ihr Fahrrad nennen.

Helmond und Brandevoort sind durch weite Fahrradwege miteinander verbunden. Die Strecke führt durch die flache Landschaft der Region, vorbei an Feldern und Wiesen, kleinen Häusern und Cafés, die sich hier eben genau für die Fahrradfahrer angesiedelt haben. Sie verbinden die beiden Städte wie eine Art Netz und führen so durch die Gegend, die bisher noch wenig vom Touristenandrang auf Holland abbekommen haben. Für Giel ist Helmond genauso genau richtig. Er kann sich kaum vorstellen, dass hier einmal Touristen herkommen. „Wir haben keine Innenstadt und nichts zum Anschauen“, erklärt er und nippt an seinem Weinglas im ältesten Haus der Stadt. Draußen hüllt die untergehende Sonne Helmond in eine traumhafte Farbe. Das Orange des Sonnenuntergangs färbt die im Stadtbild überwiegenden Backsteinhäuser in ein warmes Rot. Die Terrasse vom „Il Borgo“ ist gut gefüllt mit Einheimischen, die sich heute, am Samstag, zum italienischen Abend treffen. Die Weingläser klirren, der Geruch von Trüffeln fliegt durch den Raum und das Gelächter des voll besetzten Restaurants versprüht ein besonderes Flair. Eben genau jenes, das so typisch für Holland ist, eines, das Touristenmassen und große Sehenswürdigkeiten gar nicht nötig hat.

Ein Flair, das einem das Gefühl von Behaglichkeit gibt, von Ankommen und von einem Zuhause auf Zeit. An einem Ort, an dem Geselligkeit großgeschrieben wird und in dem das Gewusel des 1,5 Stunden entfernten Amsterdam ganz weit weg scheint.

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  1. Nadine sagt:

    Hallo Anne,

    danke für den schönen Bericht. Wo finde ich denn die kopfsteingepflasterten Gassen und an welcher Stelle wurde das Titelbild dieses Artikels geschossen? Möchte die Highlights nur ungern verpassen.

    Danke vorab und liebe Grüße
    Nadine