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Anselm Pahnke

Anderswo, allein in Afrika. Anselm Pahnke hat’s gemacht. Über zwei Jahre fuhr er mit dem Fahrrad durch die Sahara, Steppe, Städte und das völlige Nirgendwo. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Die ewige Weite. Das endlose Nichts. Die karge Landschaft. Das saftige Grün. Das herzliche Lachen. Die tägliche Herausforderung. Anselm Pahnke hat all dies erlebt. Nicht hier. Sondern anderswo, allein in Afrika. Nur mit seinem Fahrrad. 414 Tage lang ist er einmal durch Afrika geradelt. Dabei wurde er an der Grenze von Malawi mit herzlichem Kinderlachen begrüßt, durfte in Uganda das Glitzern des Bunyonyi Sees mit eigenen Augen sehen und verbrachte mehrere Tage komplett allein in der Wüste, nur mit sich, seinen Gedanken und dem Rad. Travellers Archive hat den Macher von “Anderswo, allein in Afrika” zum Interview getroffen und mit ihm über Herausforderungen, Glücksmomente und das gesprochen, was Afrika wirklich für ihn ist.

Ein Steg an einem See nirgendwo in AfrikaTRAVELLERS ARCHIVE: Du hast ein Abenteuer in Afrika erlebt und darüber einen Film gedreht: “Anderswo allein in Afrika”. Wie kommt man auf die Idee, mit dem Fahrrad durch Afrika zu reisen?

ANSELM PAHNKE: Ich war immer schon gerne draußen in der Natur und hatte ein paar kürzere Radreisen durch Europa gemacht. Afrika hatte immer eine besondere Faszination für mich, weil auch unsere Wurzeln dort liegen. Von allen Kontinenten und Orten, an die ich denken konnte, zog es mich am stärksten nach Afrika. So intensiv, kraftvoll und lebendig. So weit weg von dem, was ich gewohnt war.

Es gab so viel, was ich mir nicht vorstellen konnte. Deshalb wollte ich los. Um ein Gefühl für diesen Teil der Erde zu bekommen. Ausschlaggebend war dann, dass zwei Bekannte von mir nach Afrika reisen wollten, das gab mir den letzten Impuls einen Flug nach Südafrika zu buchen, alleine habe ich mich einfach nicht getraut. Wie tief diese Reise in den Kontinent hineingehen würde, war mir damals noch nicht klar.

TRAVELLERS ARCHIVE: Wie bereitet man sich denn auf eine solche Reise vor?

ANSELM PAHNKE: Wirklich vorbereiten kann man sich auf eine solche Reise gar nicht. Denn das Bewegende und Herausfordernde ist ja gerade das Unbekannte. Man kann zwar eine Route planen oder Ausrüstung kaufen aber, wenn man dann dort steht, ist ohnehin alles ganz anders. Es läuft nur selten alles nach Plan und außerdem kann man gewisse Erfahrungen und Erlebnisse nicht planen, die müssen einfach geschehen.

Ich habe solange geplant, wie ich gebraucht habe um einen Flug zu buchen und meine alte Ausrüstung einzupacken. An Routen oder ähnliches habe ich gar nicht gedacht. Ich glaube dadurch war es sogar leichter aufzubrechen. Wenn ich viel Zeit für die Vorbereitung genommen hätte, hätte ich mir nur mehr Sorgen gemacht und mich vielleicht in der Planung zu verlaufen. So kam ich dann zum Beispiel ohne Schlafsack in Afrika an, weil ich dachte, es würde dort ja heiß sein. In der ersten Nacht im Zelt waren es aber -12 Grad. Die Nacht war ziemlich kalt, aber diese Spontanität war genau was ich wollte – einfach dort sein und damit umgehen, was ist, nicht sich sorgen was vielleicht mal sein könnte.Afrikanische Kinder im Film Anderswo allein in AfrikaAnselm Pahnke ist mit dem Fahrrad durch Afrika gefahrenTRAVELLERS ARCHIVE: Gab es einen Moment auf der Reise, an dem du einfach keinen Bock mehr hattest?

ANSELM PAHNKE: Ich habe mir lange nicht das Ziel gesetzt, Afrika ganz zu durchqueren, sondern in kleinen Schritten gedacht: bis zur nächsten Stadt oder auch nur bis zur nächsten Quelle und Schlafplatz. Daher hatte ich nie das Gefühl, eine unschaffbare Aufgabe vor mir zu haben. Ich hatte keinen Druck von außen und hätte jederzeit abbrechen können. Irgendwas in mir wollte immer weiter und spüren, dass ich es doch schaffe.

Aber es gab schon auch Momente wo das schwer war. Nach fast einem Jahr stand ich vor der Sahara, vor 3.000 Kilometer Wüste und wusste das wird hart. Aber das schlimmste war der Gegenwind der dort das ganze Jahr aus dem Norden bläst. So nach einigen Wochen Gegenwind, 7km/h auf einer glatten Straße, dass hältst du nur aus, wenn du im Kopf überzeugt bist. Ich glaube eine Reise wie diese, quer durch Afrika, entscheidet sich nicht über die Muskelkraft oder äußere Einflüsse, die Kraft die es braucht, kommt von woanders. Ich habe diese Überzeugung gespürt und sie hat mich in keinem Moment verlassen.

TRAVELLERS ARCHIVE: Welches Land hat dir persönlich am besten gefallen?

ANSELM PAHNKE: Wenn jemand nur einen Teil der Route fahren möchte, würde ich in Afrika Malawi und Uganda empfehlen. Man braucht allerdings dafür eine gewisse Reiseerfahrung mit dem Velo. Beide Länder sind landschaftlich und kulturell voller Abwechslung und bereits bei der Ankunft spürt man, dass man willkommen ist. Auch Kenia ist sehr schön und dort ist es sogar erlaubt, durch die Nationalparks zu radeln – eine Giraffe vom Fahrrad zu sehen, das vergisst man wirklich nie. Aber auch mit dem Rucksack oder dem Auto sind diese Länder ganz besonders schön zu bereisen.Im Sudan mit Anselm PahnkeTRAVELLERS ARCHIVE: Wo waren die Menschen am offensten?

ANSELM PAHNKE: Ich denke, das kann man so nicht beantworten. Wie offen Menschen auf mich reagieren, liegt vor allem an mir selbst, an meinem Zugang zu ihnen. Ich habe auf der Reise mit jeder neuen Erfahrung ein tieferes Vertrauen entwickelt und konnte mich dem Kontinent und seinen Bewohnern mehr und mehr öffnen. Ich war anfangs skeptisch, das färbte ab und kam zurück. Offenheit ist eine Körpersprache, besonders wenn man sich nur über Lächeln und Handzeichen verständigen kann. Das schöne war, am Fahrrad den Menschen so nahe zu sein, dass ein Kontakt unvermeidlich ist und man immer schon in der Begegnung ist. Das hat mir viel geschenkt und dafür bin ich sehr dankbar, denn die diese Begegnungen machten die Reise unvergesslich.

TRAVELLERS ARCHIVE: Wie hast du die Route durch Afrika gewählt? Gab es Alternativen?

ANSELM PAHNKE: Die Route hat sich nach und nach unterwegs entwickelt. Ich wusste in Südafrika nur, dass ich ein paar Wochen mit meinen Freunden Daniel und Fabi fahren wollte. Nach der unerwarteten Trennung musste ich durch die Kalahari und habe als neues Ziel Namibia gewählt. Ich bin alleine weiter durch Simbabwe, Sambia, Malawi, Tansania, Burundi, Ruanda, Uganda, Kenia, Äthiopien, und dann durch die Sahara in Sudan und Ägypten, die sog. Ostroute. Aber ich hatte keinen fixen Plan und das war auch gut, denn sonst hätte ich mich davon unter Druck gesetzt gefühlt. So habe ich immer nur bis zum nächsten Ort, oder den nächsten Schlafplatz geschaut. Und dann stand ich schließlich über ein Jahr später im Norden nach 15.000 Kilometer.

Durch die Mitte Afrikas nach Norden zu reisen, ist sehr schwer, besonders der Kongo macht es fast unmöglich. Eine andere beliebte Route ist die entlang der Westküste, allerdings haben sich hier die Voraussetzungen in den letzten Jahren geändert, Nigeria gilt als unsicher und Angola stellt nur noch ganz selten ein Durchreise-Visum für Reisende aus.Eine Begegnung im Film Allein in AfrikaDrei Jungs im Film Anderswo allein in AfrikaTRAVELLERS ARCHIVE: Welche Erinnerung treibt dir bis heute Gänsehaut auf die Arme?

ANSELM PAHNKE: An meinem 26. Geburtstag habe ich neben einer 2600 Jahre alten Pyramide geschlafen, zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr im Zelt, sondern einfach nur im heißen Wüstensand. Ich war über einer Woche keinem Menschen begegnet, als ich am Morgen von einer kleinen Eule geweckt wurde. Sie schien nie in Berührung mit Menschen gekommen zu sein und war ganz und gar frei von Scheu. Immer wieder hat sie ihren Kopf um 180° gedreht und zu mir hinab geschaut. Schließlich landete sie neben mir und hat den ganzen Morgen meine Aktivitäten beobachtet. Es tat einfach gut, einen Freund zu haben. Das fiel mir gerade spontan ein aber in 10 Minuten würde mir ein ganz neuer Moment in den Kopf schießen. Es sind die Erinnerungen, die eine Reise „unvergesslich“ machen, wie man immer so schön sagt.

TRAVELLERS ARCHIVE: Du sagst, dass du für “Anderswo, allein in Afrika” den Kontinent Afrika so echt und ehrlich erleben wolltest, wie es auch ist. Was heißt das für dich?

ANSELM PAHNKE: Wenn man in Europa an Afrika denkt, dann kommen sofort bestimmte Bilder hoch. Das sind ganz andere Bilder, als die, dich ich dort erleben durfte. Für mich ist Afrika ein offener und herzlicher Kontinent voller kraftvoller Menschen, die mich mit ihrer Lebenskraft und -Freude begeisterten. Afrika ist für mich eine große Gruppe singender Menschen aber auch einzelne Personen, die mich mit ihrem Tiefsinn und ihrem Ehrgeiz beeindruckt haben. Afrika waren die zufälligen Begegnungen, bei denen man sofort eine Verbindung spürt, auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht.

TRAVELLERS ARCHIVE: Wir lieben Afrika mindestens so doll wie du, doch bis heute wird der Kontinent mit Armut, Gefahren und stetigen Herausforderungen verbunden. Wie stehst du dazu?

ANSELM PAHNKE: Wie oben erwähnt, habe ich dort ein völlig anderes Bild erfahren. Natürlich gibt es Armut und viel Möglichkeiten, etwas zu verändern. Aber es gibt auch so viel mehr. Es gibt auch sehr viel, was die Menschen dort haben, was wir hier in Europa von ihnen lernen könnten. Ich glaube die Frage ist nicht so sehr, wie können wir helfen – sondern wie leben wir auf der Welt zusammen, so dass wir uns nicht gegenseitig schaden. Aber das ist eine viel zu komplexe Frage für so eine kurze Antwort.Anderswo allein in Afrika: Kinder auf einer StraßeTRAVELLERS ARCHIVE: Stichwort Gefahren. Welche Situation hat dir ein mulmiges Bauchgefühl verpasst?

ANSELM PAHNKE: Ich habe auf der Reise darauf verzichtet Wasser zu kaufen und mich nur von den lokalen Brunnen und Flüssen versorgt. Dabei hatte ich auch Strecken wo es knapp wurde mit dem Wasser, wo Brunnen leer oder Pumpen defekt waren. Das waren schon einschneidende Erlebnisse. Aber ich bin dankbar, denn dadurch konnte ich eine der Grundbestimmungen unseres Lebens ganz unmittelbar und intensiv erleben. Wir brauchen alle Wasser und merken erst, wie wertvoll es ist, wenn es knapp wird.
Ich kam mehrere Male in Berührung mit Waffen. Wenn man mit Kalaschnikow vorher keine Berührungspunkte hatte, merkt man erst, was für eine krasse Wirkung sie haben. Sie schaffen eine Situation die schwer zu kalkulieren ist, da sie eine Übermacht geben, in der das Kräfteverhältnis ganz und gar aus dem Ruder läuft.

TRAVELLERS ARCHIVE: Nach 414 Tagen bist du wieder heil in Deutschland angekommen. Hattest du mehr Glück oder mehr Verstand?

ANSELM PAHNKE: Glück gehört immer dazu, unterwegs aber genauso gut auch zuhause. Man kann schließlich nicht wissen, was hinter der nächsten Kurve wartet. Diese Unsicherheit gehört einfach dazu. Aber man braucht genauso auch Verstand, besonders ein praktisches Gespür und gutes Bauchgefühl. Langsam habe ich gelernt, vieles in der Natur zu lesen: wo gibt es Wasser, welche Strecken sind fahrbar, wie wechselt das Wetter. Genauso mit den Menschen: wenn man keine gemeinsame Sprache hat, verlässt man sich mehr und mehr auf das eigene Gefühl. Und das hat mich in den drei Jahren viel seltener getäuscht als „vernünftiges“ Abwägen.

TRAVELLERS ARCHIVE: Anselm, 414 Tage auf dem Fahrrad liegen hinter dir. Würdest du nochmal los? Und jetzt, der nächste Kontinent?

ANSELM PAHNKE: 414 Tage bin ich durch Afrika gefahren. Aber meine Reise ging dann noch knapp zwei Jahre weiter durch den Nahen Osten und Asien bis Australien. Es war dann gut auch wieder nach Hause zurück zu kehren und wo anzukommen. Aber ich möchte auf jeden Fall noch einmal länger reisen. Ich habe ein Auge auf Amerika geworfen und kann mir gut vorstellen von Südamerika hoch nach Kanada zu fahren. In Kanada machte ich einer meiner ersten Radtouren. Das Gefühl die Welt auf dem Fahrrad zu entdecken, aus eigener Kraft und mitten in der Natur zu sein, das ist für mein Leben eine tiefe Bereicherung.Der Film Anderswo von Anselm PahnkeDer Film Anderswo von Anselm PahnkeTRAVELLERS ARCHIVE: Als Reisender muss man ja immer einen weisen Spruch auf Lager haben. Was ist deiner?

ANSELM PAHNKE: Vertraue immer deinem Instinkt. Das erste Gefühl gibt einem Recht, danach neigt man dazu diesen Impuls zu überdenken was oft zum Ende einer Idee oder Handlung führt. Ich vertraue immer auf mein Bauchgefühl und überquere eine Brücke erst, wenn ich vor ihr stehe.

TRAVELLERS ARCHIVE: Einfach so zurück ins normale Leben?

ANSELM PAHNKE: Das ist nicht so einfach. Schließlich lernt man, wie viele unterschiedliche Arten von normalem Leben es gibt. Überhaupt leben viele Menschen einfacher und langsamer als wir hier in Europa. Nach Afrika bin ich noch zwei weitere Jahre durch die Welt gefahren. Als ich von Südostasien nach Australien kam, war ich überfordert von der Schnelligkeit und auch der Oberflächlichkeit in den großen Städten.

Von dort flog ich zurück nach Hause. Da ich keine klare Berufsbahn hatte, zu der ich zurückgekehrt bin, war nach meiner Rückkehr noch alles offen und es hat lange gedauert, bis ich „angekommen“ war. Erstmal mache ich den Film “Anderswo, allein in Afrika” und die Einstellung auf der Reise habe ich mit nach Hause genommen: ein Schritt nach dem anderen.
Viele Menschen haben Angst auf reisen zu gehen, weil sie nicht wissen, was sie bei der Rückkehr erwartet. Einen sicheren Hafen zu haben, ist für uns Menschen von Kindesalter von großer Bedeutung und auch wenn eine Rückkehr nicht immer einfach ist, so möchte ich die Erfahrung mich einmal ganz loszureißen nicht missen. Sie hat mein Leben komplett verändert und die Augen geöffnet.

TRAVELLERS ARCHIVE: Welche Wünsche, Ziele, Visionen hast du für dich in der kommenden Zeit? Gibt es noch weitere Großprojekte (Träume) nach “Anderswo, allein in Afrika”, die du dir verwirklichen möchtest?

ANSELM PAHNKE: Ich freue mich riesig auf die Begegnungen, die durch diesen Film entstehen und auf die neuen Aufgaben sie sich dadurch ergeben werden. Ich habe ansonsten für 2019 keinen Plan und das fühlt sich gut an.

Das Interview mit Anselm Pahnke entstand im Zuge des Films “Anderswo, allein in Afrika”.

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Seit seiner Rückkehr arbeitete Anselm daran, aus seinen persönlichen Aufzeichnungen einen Film zu machen, der die Energie Afrikas und die inneren Bewegungen einer solchen Reise zeigt. Sein Film, „Anderswo, allein in Afrika“, lief 2018 im Kino. Alle Infos zur Kinotour gibt es hier.

  1. Tolle Bilder! Super spannender Bericht der Lust auf Reisen macht. 🙂 Allerdings lieber einen Wohnwagen mieten anstatt mit dem Fahrrad. 😉

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